Wie bereits in unseren letzten News berichtet (siehe Beiträge vom 16. Mai, 15. Mai und 15. April 2020), kann der Arbeitgeber einer eventuellen Haftung für Arbeitsunfälle wegen Covid-19 durch strikte Einhaltung der geltenden Sicherheitsprotokolle vorbeugen.

Selbige Rechtsmeinung wurde vom INAIL in dessen Rundschreiben vom 15.05.2020 vertreten (wir hatten davon berichtet). Die Haftung des Arbeitgebers – so das Rundschreiben – könne nur dann festgestellt werden, wenn dieser die Sicherheitsprotokolle nicht einhielte und den Arbeitsunfall dadurch schuldhaft zu vertreten (sprich fahrlässig verursacht oder nicht unterbunden) habe.

Das Rundschreiben hat jedoch nach wie vor eine Vielzahl an Arbeitgebern beunruhigt, da selbiges keine gesetzesähnliche Wirkung entfaltet und im Streitfall für den Richter in dessen Entscheidungsfindung nicht bindend ist.

Vor diesem Hintergrund ist jüngst der Gesetzgeber tätig geworden.

So schreibt der Artikel 29-bis des G.D. Nr. 23 vom 08.04.2020 (sog. Decreto Liquidità), umgewandelt in Gesetz Nr. 40 vom 05.06.2020, nunmehr hinsichtlich Covid-19-bedingter Arbeitsunfälle ausdrücklich fest, dass die Arbeitgeber ihrer Schutzfunktion der Arbeitsbedingungen gemäß Artikel 2087 des Zivilgesetzbuches dadurch gerecht werden, indem sie die nationalen und lokalen Sicherheitsprotokolle anwenden.

Die Bestimmung ist seit vorgestern (07.06.2020) in Kraft und gilt gleichermaßen für öffentliche und private Arbeitgeber.

In Bezug auf die Ansteckung mit SARS-CoV-2 am Arbeitsplatz, grenzt der Gesetzgeber dadurch die allgemeine, offene Formulierung des Artikels 2087 Zivilgesetzbuch über die Sicherheitsvorkehrungen am Arbeitsplatz („Maßnahmen, die nach der besonderen Art der Arbeit, nach der Erfahrung und dem Stand der Technik zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Arbeitnehmer notwendig sind“), gezielt auf die Einhaltung der Sicherheitsprotokolle ein.

In einem Südtirol-spezifischen Kontext haben die Arbeitgeber insbesondere den nachstehenden Maßnahmen gerecht zu werden:

  • „Gemeinsames Protokoll zur Ergänzung des Protokolls zur Regelung der Maßnahmen zur Bekämpfung und Eindämmung der Verbreitung des Virus Covid-19 am Arbeitsplatz vom 14. März 2020”, welches am 24. April 2020 von der nationalen Regierung und den Sozialpartnern unterzeichnet wurde;
  • sämtliche Sicherheitsprotokolle, die dem Landesgesetz Nr. 4 vom 08.05.2020, durch welches in Südtirol bekanntlich die „Phase 2“ eingeleitet und die Wiederaufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit erlaubt wurden, als Anlage beigefügt sind, wobei die Anlage A zum Landesgesetz nachträglich abgeändert wurde (das Landesgesetz und die Sicherheitsprotokolle finden Sie hier: http://www.regione.taa.it/bur/pdf/I-II/2020/19/N2/N2192001.pdf. Die Abwandlung der Anlage A zum Landesgesetz ist hier ersichtlich, ab Seite 44: http://www.regione.taa.it/bur/pdf/I-II/2020/22/BO/BO222001.pdf).

Das jüngste Einschreiten des Gesetzgebers unterstreicht die Notwendigkeit, die Haftung des Arbeitgebers stets nach dem Verschuldensprinzip im Allgemeinen sowie im Lichte der Einhaltung der Sicherheitsprotokolle im Speziellen zu erörtern. Eine objektive, sprich verschuldensunabhängige Verantwortung des Arbeitgebers für Covid-19-bedingte Arbeitsunfälle scheint in der Folge zunehmend ausgeschlossen.

Bei spezifischen Rechtsfragen zum Thema sind wir gerne für Sie da.

RA Kathrin Platter und RA Julian Daniel