Das Corona-Virus macht auch vor den Amtsstuben nicht halt.

Mit der notwendigen Schließung zahlreicher öffentlicher Ämter ab Ende Februar stand fest, dass zahlreiche Verwaltungsverfahren nicht innerhalb der vom Gesetz vorgesehenen Fristen hätten abgeschlossen werden können.

Aus diesem Grunde hat die Regierung mit dem GD Nr. 18/2020 bestimmt, dass für alle am 23.02.2020 offenen Verwaltungsverfahren die Frist für den Verfahrensabschluss ausgesetzt bleibt, und zwar vom 23.02.2020 bis zum 15.04.2020. Diese Aussetzung, welche alle öffentlichen Verwaltungen (Staat, Regionen, Provinzen, Bezirksgemeinschaften, Gemeinden, Vor- und Fürsorgeinstitute, Polizeieinheiten, usw.) auf dem Staatsgebiet betrifft, wurde mit GD Nr. 23/2020 auf den 15.05.2020 verlängert, weshalb nunmehr für die Berechnung der einzuhaltenden Verfahrensdauer der Zeitraum vom 23.02.2020 bis zum 15.05.2020 nicht zählt. Gleichzeitig wurde vorgesehen, dass im selben Zeitraum auch sämtliche von den Gesetzen vorgesehenen Fristen für die stillschweigende Annahme bzw. für die stillschweigende Ablehnung eines Antrages ausgesetzt sind.

Sämtliche Zertifikate, Bestätigungen, Ermächtigungen, Konzessionen und Erlaubnisse, welche im Zeitraum vom 23.02.2020 bis zum 15.04.2020 verfallen wären, bewahren ihre Gültigkeit hingegen bis zum 15.06.2020.

In Südtirol sind diese Bestimmungen zwar übernommen worden, allerdings in abgeänderter (und leider nicht unbedingt klarer) Form:

a) Gemäß Dringlichkeitsmaßnahme des Landeshauptmannes Nr. 13/2020 sind Verfahren vor Ämtern des Landes, der Gemeinden und der Bezirksgemeinschaften innerhalb der ordentlichen Fristen abzuschließen, sofern keine Gründe für eine eingeschränkte Funktionsfähigkeit der Ämter vorliegen. Es gilt aber jedenfalls die Aussetzungsfrist vom 23.02.2020 bis zum 15.05.2020.

b) Mit Dekret Nr. 4805/2020 des Generaldirektors der Autonomen Provinz Bozen wurde hingegen für sämtliche Verwaltungsverfahren (vor Ämtern des Landes, der Gemeinden und der Bezirksgemeinschaften) die Aussetzung aller Fristen, welche den Bürgern, den Unternehmen und den Freiberuflern für die Erfüllung von Auflagen auferlegt sind, vom 09.03.2020 bis zum 30.05.2020 verfügt.

Was bedeutet dies nun konkret? Anhand folgender Fallbeispiele soll etwas Klarheit geschaffen werden:

a) Fallbeispiel „Baukonzession“:

Am 15.01.2020 reicht ein Bauherr einen vollständigen Antrag auf Ausstellung einer Baukonzession bei der Gemeinde ein. Die Gemeinde hat noch nicht über den Bauantrag entschieden. Gilt das Projekt somit im Sinne des Art. 69 LROG als stillschweigend angenommen?

Nein. Der Bürgermeister muss zwar im Normalfall innerhalb von 60 Tagen ab Einreichung seine Entscheidung über den Bauantrag mitteilen. Andernfalls gilt das Baugesuch als stillschweigend angenommen. Da aber für die Berechnung der 60tägigen Frist die Zeitspanne zwischen dem 23.02.2020 und dem 15.05.2020 nicht gezählt wird, sind bisher seit Hinterlegung des Bauantrages lediglich 38 Tage abgelaufen. Erst nach dem 15.05.2020 läuft diese Zeit weiter.

b) Fallbeispiel Verfall eine Baukonzession

Eine Baukonzession wurde am 01.03.2019 ausgestellt. Mit den Arbeiten wurde allerdings noch nicht begonnen. Ist die Baukonzession somit in der Zwischenzeit verfallen?

Nein. Gemäß Art. 71 LROG muss zwar (im Normalfall) innerhalb eines Jahres ab Ausstellung der Baukonzession mit den Arbeiten begonnen werden. Geschieht dies nicht, gilt die Baukonzession als verfallen. Im gegenständlichen Fall greift aber die Sonderregelung, gemäß welcher sämtliche Zertifikate, Bestätigungen, Ermächtigungen, Konzessionen und Erlaubnisse, welche im Zeitraum vom 23.02.2020 bis zum 15.04.2020 verfallen wären, ihre Gültigkeit bis zum 15.06.2020 bewahren. Innerhalb dieses Zeitraumes kann somit noch mit den Arbeiten begonnen werden.

Sollte ein konkreter Arbeitsbeginn aufgrund von objektiven Umständen auch bis dahin nicht möglich sein, besteht gemäß Art. 71 LROG immer noch die Möglichkeit, bei der Gemeinde um eine Verlängerung der Frist anzusuchen, wobei der entsprechende Antrag in diesem Fall unbedingt noch vor dem 15.06.2020 gestellt werden sollte.

c) Fallbeispiel „Änderung Bauleitplan

Mit Gemeindeausschussbeschluss hat eine Gemeinde den Entwurf einer Bauleitplanänderung genehmigt. Der Beschluss wurde mitsamt Planunterlagen ab dem 15.02.2020 für 30 aufeinander folgende Tage an der Amtstafel veröffentlicht. Gemäß Art. 19 LROG kann im Zeitraum der Veröffentlichung jeder in die Unterlagen Einsicht nehmen und bei der Gemeinde Stellungnahmen und Vorschläge zu den eingeführten Änderungen einbringen.

Welche Fristen für Stellungnahmen und Vorschläge gelten nun im vorliegenden Fall?

Im Normalfall wäre die 30tägige Frist am 16.03.2020 ausgelaufen. Da aber der Zeitraum zwischen dem 09.03.2020 und dem 30.05.2020 für die Erfüllung von Auflagen (und dazu gehört auch die Hinterlegung von Stellungnahmen) nicht berechnet wird, läuft im gegenständlichen Fall die Frist erst am 08.06.2020 aus.

Gerade in Krisenzeiten ist die Gefahr von Fehlern im Verfahrensablauf besonders hoch. Wir empfehlen daher: Achten Sie ganz besonders auf die Richtigkeit und Rechtmäßigkeit der Maßnahmen der öffentlichen Verwaltung. Falls Sie Fragen oder Zweifel haben, stehen wir gerne zur Verfügung.

RA Alexander Bauer