Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise sind derzeit noch nicht abzuschätzen. Es ist naheliegend, dass Unternehmer angesichts des langandauernden Lockdown und der jüngsten Notmaßnahmen der Regierung, die v.a. Liquiditätsbeschaffung durch neue Kredite vorsehen, bei rückgängiger Auftragslage unmittelbar auch die Personalstruktur analysieren. Viele Arbeitnehmer bangen daher um ihren Arbeitsplatz.

Damit das sensible Gleichgewicht am Arbeitsmarkt nicht kippt, hat die Regierung unter anderem mit zwei grundlegenden Maßnahmen in den Markt eingegriffen: (i) vorübergehendes Kündigungsverbot aus betriebsbedingten Gründen auf der einen Seite; (ii) Lohnausgleichskasse aufgrund „Notstand Covid-2019“ auf der anderen (siehe dazu unsere vorausgehende News vom 03.04.2020). Die beiden Maßnahmen ergänzen einander dahingehend, dass durch das Kündigungsverbot das bestehende Arbeitsverhältnis – zumindest formalrechtlich – weiterhin aufrecht bleibt. Dies wiederum ermöglicht es den Unternehmen, für die betroffenen Arbeitnehmer beim INPS/NISF oder bei den bilateralen Solidaritätsfonds um Lohnausgleichskasse anzusuchen. Auf diesem Wege wird der weitreichende, wenngleich zeitlich beschränkte Einschnitt in die unternehmerische Freiheit wieder ausgewogen und dessen Verfassungsmäßigkeit gewahrt (Artikel 41 Verfassung).

Das notstandsbedingte Rücktrittsverbot für den Arbeitgeber gilt selbstredend nicht uneingeschränkt, sondern ist zeitlich und inhaltlich begrenzt.

Das Verbot war ursprünglich auf 60 Tage ab Inkrafttreten der Eilverordnung „Cura Italia“ Nr. 18 vom 17. März 2020, sprich auf den 16. Mai 2020, festgelegt worden (Art. 46). Im Umwandlungsgesetz Nr. 27 vom 24. April 2020 wurde dieses Datum unverändert beibehalten. Kurz vor Ablauf der Frist, nunmehr, hat die Regierung erneut eingegriffen: mit der heute (13.05.2020) erlassenen Eilverordnung (sog. „Decreto Rilancio“) wird das gegenständliche Kündigungsverbot von 60 Tage auf nunmehr 5 Monate ab dem 17. März 2020 angehoben (Art. 83). Dies hat zur Folge, dass die ersten Entlassungen aus betriebsbedingten Gründen frühestens ab dem 17. August 2020 vorgenommen werden können.

Um das eingangs beschriebene Gleichgewicht aufrecht zu erhalten, verlängert die Eilverordnung „Decreto Rilancio“, parallel zur Verlängerung des Kündigungsverbotes, unter gewissen Voraussetzungen, auch den Zugang zur Lohnausgleichskasse aufgrund „Notstand Covid-2019“ (d.h. ordentliche oder Sonderlohnausgleichskasse, sowie Leistungen von bilateralen Solidaritätsfonds) um weitere 5 und eventuell zusätzliche 4 Wochen und somit auf insgesamt höchstens 18 Wochen (Artt. 71 und 73).

Das Kündigungsverbot ist auf Entlassungen aus betriebsbedingten Gründen (licenziamento economico) beschränkt. Es dürfen derzeit also keine Kündigungen ausgesprochen werden, die der Produktionstätigkeit und der Unternehmensorganisation als solcher innewohnen und vom Arbeitnehmer nicht schuldhaft zu vertreten sind (z.B. mangelnde Auftragslage, betriebliche Neuorganisation, Umschichtung von Aufgaben, Schließung von Abteilungen). Darunter fallen sowohl Individualentlassungen aus „objektiv gerechtfertigtem Grund“ von bis zu 4 Arbeitnehmern (Art. 3 Gesetz vom 15. Juli 1966, Nr. 604; „licenziamenti individuali o plurimi per giustificato motivo oggettivo“), als auch Massenentlassungen von 5 oder mehr Arbeitnehmern innerhalb eines Zeitraums von 120 Tagen (Artikel 4, 5 und 24 Gesetz vom 23. Juli 1991, Nr. 223; „licenziamento collettivo“). Das Verbot gilt für sämtliche betriebsbedingten Kündigungen, auch wenn diese nicht direkt mit dem derzeitigen Notstand in Verbindung stehen oder anderweitig begründet sind. Davon ausgenommen ist die Kündigung leitender Angestellter (dirigenti), die jederzeit entlassen werden können, sofern einer der herkömmlichen Gründe dafür vorliegt.

Betriebsbedingte Entlassungen vor dem 17. August 2020 in Missachtung des Verbots gelten als null und nichtig (Art. 1418 ZGB, tamquam non esset, wie nie verfügt); eine minderheitliche Rechtslehre spricht hingegen von bloßer Unwirksamkeit bis zum gennannten Datum hin (die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei also gültig, werde aber erst mit dem 17. August 2020 rechtswirksam).

Wie schon angedeutet, greift das Verbot nicht für disziplinarrechtliche Entlassungen, deren Gründe also der Arbeitnehmer selbst schuldhaft zu vertreten hat. Darunter fallen Kündigungen aus „wichtigem Grund“ (Art. 2119 ZGB; „giusta causa“) oder aus „subjektiv gerechtfertigtem Grund“ (Art. 3 Gesetz vom 15. Juli 1966, Nr. 604; „giustificato motivo soggettivo“). Dies bedeutet, dass der Arbeitnehmer – auch während der Krisenzeit – seinen vertraglichen Verpflichtungen gerecht werden muss und das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber nicht fahrlässig oder vorsätzlich untergraben darf, anderenfalls ihm gekündigt werden kann (z.B. Arbeitsverweigerung, fortdauernde unentschuldigte Abwesenheit, verbale Attacken gegen den Arbeitgeber, usw.).

Ebenso sind Kündigungen wegen überhöhter Krankenstände, die über die Frist für die Beibehaltung der Stelle hinausreichen, nach wie vor erlaubt. Eine eventuelle Ansteckung mit dem Covid-19 Virus am Arbeitsplatz wird jedoch nicht mit eingerechnet (Art. 26 Eilverordnung „Cura Italia“). Selbiges gilt für Entlassungen während der Probezeit oder wegen Pensionsreife.

Jene Arbeitnehmer, die in der Krisenzeit aus disziplinarrechtlichen Gründen gekündigt werden, verlieren ihr Anrecht auf Lohnausgleichskasse. Bei Vorliegen der Voraussetzungen, erwächst ihnen jedoch ein Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Sollte Ihr Unternehmen Fragen zur Thematik haben, stehen wir Ihnen gerne beratend zur Seite.

RA Kathrin Platter und RA Julian Daniel